Brücken-Mikado in der Münchner Innenstadt

120 Jahre sind die Brücken in der Münchner Balan- und Werinherstraße alt, die aktuell ersetzt werden. Insgesamt modernisieren die Bauingenieur:innen der DB Netz AG in den kommenden Jahren 80 Brücken in Südbayern, allein 22 davon in und um München. Wie knifflig diese Arbeiten in einer eng bebauten Stadt sind, erklärt ihr Chef Stefan Hartl.

Jede Menge Brücken, Durchlässe und Stützwände erneuern Stefan Hartl und sein Team in Südbayern. „Wir stellen die Qualität der Eisenbahnanlagen sicher und machen die Infrastruktur fit für die Zukunft“, sagt der Bauingenieur, der seit fast 20 Jahren bei der DB arbeitet. Seit sechs Jahren leitet der 47-Jährige bei DB Netz Süd den Konstruktiven Ingenieurbau in Südbayern. Mehr als 300 Projekte haben er und seine 26 Mitarbeitenden derzeit auf dem Tisch – in verschiedenen Phasen von der Vorplanung bis zum eigentlichen Bau und der Projektdokumentation. Darunter sind relativ kleine wie die Erneuerung eines Bahndamm-Durchlasses in Nonnenhorn am Bodensee, aber auch ganz dicke Brocken wie die breite Eisenbahnbrücke mit 17 Gleisen über der Tumblingerstraße im Münchner Stadtteil Ludwigsvorstadt.

Stefan Hartl, Leiter Konstruktiver Ingenieurbau Südbayern der DB Netz

Schwerpunkt ist die Landeshauptstadt

Die Ingenieur:innen um Hartl schaffen die Voraussetzungen, damit allein 80 Brücken in Südbayern bis zum Jahr 2029 erneuert werden. In diesem Jahr werden unter anderem Überführungen über den Fluss Paar bei Hörzhausen (westlich von Schrobenhausen), über die Harlacher Straße in Wifling (Gemeinde Wörth), über einen Feldweg bei Buxheim (nordwestlich von Ingolstadt) und in Neustadt an der Donau modernisiert. In Ebermergen (nördlich von Donauwörth) werden die Fahrbahnplatten zweier historischer Gewölbebrücken erneuert.

Ein Schwerpunkt der Arbeiten ist die Landeshauptstadt: 22 der 80 Brücken befinden sich in und um München, zum Beispiel die Überführungen über der Lindwurmstraße und über der Dachauer Straße (geplanter Baubeginn ab 2024), zwei Brücken als Ersatz für den Bahnübergang Fasanerie (ab 2026) und das Bauwerk über der Tumblingerstraße (ab 2027). Vor kurzem haben die Vorarbeiten für die Modernisierung an der Balan- und der Werinherstraße begonnen.

Sieben Jahre bis Baubeginn

Bis die Bagger aber wirklich anrücken, haben die Bauingenieur:innen alle Hände voll zu tun. Unter anderem planen sie die Arbeiten, holen Genehmigungen ein, organisieren Sperrpausen und schreiben die Arbeiten aus. Etwa vier Jahre vor dem Baubeginn beantragen sie Streckensperrungen, damit der Fahrplan für die Kunden ausgearbeitet werden kann. Mit den Straßenbaulastträgern stimmen sie zum Beispiel die Planung, Kosten, Bauarbeiten und die Verkehrsführung ab. Auch darüber hinaus sind etliche Abstimmungen nötig – mit Behörden, Planungs- und Ingenieurbüros, Baufirmen, Gemeinden, Städten, Anlieger:innen und Anwohner:innen. „Unsere Projekte werden gerade deutlich komplexer. Die Brücken stehen oft in eng bebauten Städten oder führen über Staats-, Bundes- oder stark genutzte Hauptverkehrsstraßen“, sagt Hartl. „Außerdem haben wir viele Umweltbelange zu beachten, wie das Wasserrecht, Schutzgebiete und Lärmschutz beim Bauen.“ Und so dauert es in der Regel sechs bis sieben Jahre vom Auftrag über Vor-, Entwurfs- und Genehmigungsplanung bis zum Baubeginn.

Etwas schneller geht es, wenn kein Planrechtsverfahren beim Eisenbahn-Bundesamt (EBA) nötig ist, also wenn das Bauwerk in etwa 1:1 erneuert wird und sich Höhe und Breite nicht wesentlich ändern. „Dann reichen wir die Genehmigungsplanung nicht beim EBA, sondern bei der zuständigen Behörde wie das Landratsamt ein“, sagt Hartl. Das spare einige Monate. Bei etwa 30 Brücken in Südbayern können die Ingenieure derzeit so verfahren.

Wenig Platz, viel Verkehr

Die aktuellen Projekte in München zeigen, wie komplex das Bauen in einem dichtbesiedelten Stadtgebiet ist. Westlich des Ostbahnhofs führen gleich drei Eisenbahnbrücken über die stark befahrene Balanstraße. Die nördliche (München Hbf–Rosenheim) und die südliche (in Richtung Giesing) Überführung stammen aus dem Jahr 1901 und werden nun erneuert. Das ist kompliziert, denn nah an den Gleisen stehen Häuser, unter den Brücken verlaufen neben der Straße auch Fuß- und Radwege. Und wie bei einem kniffligen Mikado-Spiel führt eine dritte, jüngere Brücke mit zwei elektrifizierten Gleisen zwischen und oberhalb der alten Überführungen. „Das ist alles sehr eng. Aber es bleibt uns nichts anderes übrig: Wir bauen die neuen Brücken direkt neben den alten, also quer über der Straße, und schieben sie nach deren Abbruch während einer kompletten Straßen- und Streckensperrung ein“, sagt Hartl.

Brücken-Mikado über der Balanstraße

Für die Arbeiten an der Balanstraße sind auch die Abstimmungen mit der Stadt München komplex: Die Stadt will die Straße erneuern und arbeitet derzeit in diesem Bereich, um das Fernwärmenetz von Dampf auf Heizwasser umzustellen. Diese Arbeiten wiederum sind die Voraussetzung dafür, dass die Fernwärmekreuzung unterhalb der Brücken außer Betrieb genommen und Anfang November die neuen Brücken eingeschoben werden können. Das Timing muss stimmen.

Mehr Wege unter der neuen Brücke

Noch drei Jahre älter, nämlich aus dem Jahr 1898, ist die Eisenbahnbrücke etwa 500 Meter weiter südlich: Sie führt über die vierspurige Werinherstraße samt Fuß- und Radwegen, auch hier stehen Häuser in unmittelbarer Nachbarschaft. Die neue Brücke wird größer als die alte: 27,20 Meter (statt 18 Meter) Platz wird zwischen den Brückenwiderlagern sein. Hartl: „So kann die Stadt München getrennte Geh- und Radwege sowie eine Busspur anlegen.“

Auch in der Werinherstraße sind bereits die Vorbereitungen komplex: Wasser-, Abwasser- und Gasleitungen müssen verlegt werden, ebenso wie Strom-, Telefon- und Datenkabel. Bis März werden die Oberleitungen auf 300 Meter umgebaut, elf Masten sind dafür zu setzen. Etwa 30 Signalkabel müssen verlängert und über eine Kabelhilfsbrücke verlegt werden. Anfang Juni wird die Strecke drei Tage gesperrt, um die Brücke teilweise abzureißen. Anschließend wird das neue Bauwerk westlich der Gleise montiert. Hartl: „Während der gesamten Bauzeit wird die Werinherstraße lediglich einmal im Juni und einmal Ende Oktober, Anfang November jeweils für drei Wochen gesperrt. In der zweiten Sperrpause wird die alte Brücke abgerissen und das neue Bauwerk eingeschoben.“