„Des gfreit mi!“
Maria Corts-Bernia arbeitet als Projektingenieurin im Projekt Ausbau München West (I.NI-S-H-W)). Die aufgeweckte Spanierin hatte sich vor nunmehr zehn Jahren in München niedergelassen, lernt seitdem, wie sie selbst sagt, Land und Leute samt Sprache kennen. Warum sie nach acht Jahren ihren Beruf bei der Bahn immer noch spannend findet, und warum ohne Optimismus bei ihr nichts geht – davon erzählt sie im ausführlichen Interview mit MEIN NETZ SÜD.
Vor ziemlich genau vier Jahren hast Du der DB Welt Süd ein Interview gegeben. Was hat sich seitdem bei Dir verändert?
Maria Corts-Bernia: Gefühlt alles. Ich denke, dass die zahlreichen Lockdowns einen großen Einfluss auf unser Verhalten sowie auf das soziale Miteinander hatten. Da hat sich einiges verändert. Manche Dinge sind zum Glück gleichgeblieben. Zum Beispiel liebe ich immer noch München samt meinem Freund – im Übrigen noch derselbe wie aus dem Interview von 2019. Als mitteleuropäische Stadt beherbergt München so viele unterschiedliche Nationalitäten. Davon werde ich niemals müde. Außerdem ist sie optimal gelegen und super angebunden. Mit der Bahn ist man innerhalb weniger Stunden in anderen EU-Ländern. Ein Riesenvorteil – vor allem jetzt, wo wir wieder entspannt reisen dürfen.
Integration ist ein gutes Stichwort. Fühlst und siehst du dich als „gut integriert“?
Der anhaltende Krieg in der Ukraine hat das Thema Integration für mich in ein völlig neues Licht gerückt. Rückblickend kann ich sagen, dass einem als Individuum in einem völlig fremden Umfeld viel abverlangt wird. Es gilt eine neue Sprache und Menschen kennen zu lernen. Mir hat es geholfen, den Dingen mit einer gewissen Gelassen- und Offenheit zu begegnen. Das hat es mir ermöglicht, Schwierigkeiten als Hürden zu sehen, Hürden als Herausforderungen und Herausforderungen als Chancen. Meine Devise: Bereit sein für Neues und keine Angst vor dem Unbekannten.
„Mir war schnell klar: Um es hier zu schaffen, muss ich Deutsch und 'Bahn' lernen“
Als ich mich dafür entschieden habe, meine berufliche Karriere und persönliche Zukunft in Deutschland aufzubauen, wurde mir hier nichts geschenkt. Neben meinem Studium, Praktikum und später auch meiner Bahn Anstellung habe ich jahrelang Deutschkurse besucht und bin immer wieder aktiv auf Menschen zugegangen. Mittlerweile kann ich sagen: München ist meine zweite Heimat geworden."
Woher nimmst du deine Motivation?
Ich wollte unbedingt Teilhabe am gesellschaftlichen Leben erfahren: Mittendrin sein, mitreden und gestalten - anstatt das Leben nur als Zaungast oder Tourist wahrzunehmen. Für ein gut funktionierendes System ist Integration sehr wichtig. Diese Chance sollte jeder Person ermöglicht werden. Egal ob jemand aus wirtschaftlichen Gründen nach Deutschland kommt, wie ich es getan habe, oder aus ganz anderen Gründen. Mir war schnell klar: Um es hier zu schaffen, muss ich Deutsch UND „Bahn“ lernen.
In Spanien habe ich Bauingenieurwesen studiert und mich auf Tiefbau im Straßenbau spezialisiert. Damit konnte ich hier nicht viel anfangen. Meine positive Grundeinstellung und Resilienz, die ich von zuhause mitbekommen habe, hat mir dabei geholfen, nicht komplett zu verzweifeln. Mein Ziel war ganz klar: Ich will zur Bahn. Dafür habe ich gekämpft. Ich bin sehr dankbar über die Fähigkeit, positiv zu bleiben und nicht aufzugeben. Das gibt einem die Hoffnung, dass auch wieder gute Zeiten kommen.
Du bist in den letzten Jahren Mutter geworden. Herzlichen Glückwunsch!
(lacht laut) Du meinst, weil ich die Sendlinger Spange „mein Baby“ nenne? Das ist sie auch! 2015 habe ich als Praktikantin bei der Bahn angefangen und seit 2017, als sich das Projekt noch in der frühen Planungsphase befunden hat, war ich als Projektassistentin dort beschäftigt. Seitdem hat sich viel getan. Derzeit darf ich als Projektingenieurin die Bauphase des Verbindungsgleises in Laim steuern, was gleichzeitig aufregend und befriedigend ist. An diesem Prozess beteiligt gewesen zu sein – darauf bin ich stolz.
„Ich mag die Mischung aus Herausforderung und gesammelter Erfahrung“
Gleichzeitig motiviert mich diese Erfahrung, auch zukünftig Großprojekte umsetzen zu wollen. Ich mag die Mischung aus Herausforderungen und das Einbringen meiner gesammelten Erfahrungen und Expertise. Neue Projekte bedeutet für mich automatisch persönliches und fachliches Entwicklungspotenzial – vor allem auch weil die verschiedenen Gebiete so weitläufig sind und man jeden Tag etwas Neues lernt. Neben interessanten Fachleuten begegnet man einer Vielzahl an verschiedenen Prozessen und unterschiedlichen Denkansätzen.
Viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind begeistert von den neuen Flex@Work- Arbeitsbedingungen. Du auch?
Es ist bemerkenswert, wie sich die Arbeitskultur durch Corona verändert und wie schnell die Deutsche Bahn darauf reagiert hat! Ich weiß nicht, ob eine solch flexible Arbeitsplatzgestaltung ohne die diversen Lockdowns zustande gekommen wäre. Als der Konzern 2020 das 30-tägige Arbeiten aus den EU-Ländern ermöglicht hat, habe ich eine enorme Erleichterung verspürt. Gerade während der Anfangszeit der Pandemie war der Kontakt zu meiner Familie in Valencia für mich sehr wichtig. Meinen beengten Arbeitsplatz in unserer winzigen Münchner Wohnung (samt strengen bayerischen Corona-Regeln) gegen ein paar Wochen im umsorgenden Elternhaus zu tauschen war ein echter Segen. Work-Life-Balance ist toll, aber ich möchte auf der Arbeit auch wieder Leben antreffen.
„Work-Life-Balance ist toll, aber ich möchte auf Arbeit auch wieder Leben antreffen“
Obwohl ich die Möglichkeiten des flexiblen Arbeitens sehr schätze, bin ich kein Fan von der reinen Onlinekommunikation. Deshalb nehme ich seit 2015 auch jedes Jahr am Firmenlauf teil und treffe mich regelmäßig mit Kollegen in der Richelstraße oder auf der Baustelle. Ich mag die Abwechslung in der Kommunikation. Es gibt Tage, da rede ich mit Planern von außenstehenden Ingenieurbüros oder mit verschiedenen Baufirmen inklusive deren Bauarbeitern. An anderen Tagen sind es EBA-Sachverständige oder Kollegen aus der Rechtsabteilung und dem Immobilienmanagement. Sie geben mir den Input den ich brauche, oder den ich dann an Dritte weitergeben muss. Als Projektingenieurin ist man eine lebendige Schnittstelle und ständig im Austausch. Das gefällt mir.
Was wünscht Du Dir für Deine Zukunft?
Seit kurzem bin ich Teil des Erdinger Ringschlusses, wo wir uns mit dem Projekt LOS A3 Überwerfungsbauwerk Flughafen München in der Bauvorbereitung befinden. Da wünsche ich mir, dass ich zu vielen kleinen und größeren Teilerfolgen beitragen kann. Die Synergien innerhalb des Teams passen und die Kollegen sind nett. Deshalb bin ich guter Dinge. Ich bin froh und auch ein bisschen stolz, dass unser Konzern in Sachen Diversity und multikulturelles Miteinander ein Vorreiter ist. Vielleicht fühle ich mich deshalb auch seit längerem als wertvolles Mitglied der DB-Netze. Meine Herkunft und Persönlichkeit durften hier einen guten Platz finden und tragen zur Vielfalt im Unternehmen bei. Des gfreit mi!
Interview: DB InfraGO/Angela Zacher