Neue Autoreisezuganlage in München Süd: Interview mit Bauüberwacherin Shamin Kohestani

Für die neue Autoreisezuganlage am Südbahnhof werden ein 243 Meter langes Verladegleis, zwei Bahnsteige – einer zum Verladen, einer für Personen, ein Servicegebäude, ein Check-in-Schalter sowie Treppen und Rampen gebaut. Das Terminal wird von der Thalkirchner Straße über die bereits vorhandene Zufahrt zum Bahngelände erreichbar sein und kann von verschiedenen Autoreisezuganbietern genutzt werden. Hier können Reisende ihr Auto verladen und entspannt mit dem Zug in den Urlaub fahren.
Für Shamin Kohestani ist der Baustart ein besonderer Moment. Sie leitet das Baubüro München 2 von DB Engineering & Consulting (DB E&C), das die Bauüberwachung der Autoreisezuganlage am Südbahnhof stemmt.
Warum ist die Autoreisezuganlage für Sie ein besonderes Projekt?
Shamin Kohestani: Erst wenn die Anlage am Südbahnhof in Betrieb geht, wird das alte Terminal am Ostbahnhof zurückgebaut und können dort die Arbeiten für die 2. Stammstrecke der S-Bahn München starten. Die 2. Stammstrecke wird die Stadt vor dem Verkehrskollaps bewahren. Ich freue mich, ein so wichtiges und großes Projekt in meiner Heimatstadt mitzugestalten. Ich lebe in München und bin hier aufgewachsen, nachdem meine Familie 1990 aus dem Bürgerkriegsland Afghanistan geflüchtet war.
Sie arbeiten nicht zum ersten Mal an einem Projekt der 2. Stammstrecke.
Vor zwei Jahren war ich im Baubüro München 1 der Bauüberwachungszentrale, das den Abschnitt „Oberirdisch West“ betreut. Damals wurde die allererste Weiche eingebaut, die beide Stammstrecken verbindet. Auf diesen Meilenstein bin ich stolz.
Welches sind die Herausforderungen am Südbahnhof?
Zum einen wird so eine Anlage heutzutage eher selten gebaut. Zum anderen ist zwischen den Gleisen am Südbahnhof wenig Platz für die Baustelle und die Logistik. Und es wird unter und neben dem rollenden Rad gebaut. Kabeltiefbau, Oberleitung, Oberbau, Konstruktiver Ingenieurbau, Leit- und Sicherungstechnik – wir koordinieren die Arbeiten der Baufirmen, um einen reibungslosen Ablauf zu organisieren und den Bahnbetrieb nicht zu behindern. Das ist vor allem während der 90-Stunden-Sperrpause im Mai anspruchsvoll: Da muss jeder Schritt sitzen, damit wir die begrenzte Zeit effektiv nutzen und die geplanten Arbeiten durchziehen.
Haben Sie schon einmal auf einer so engen Baustelle gearbeitet?
Damit habe ich Erfahrung. Neben der Eisenbahnüberführung in Gersthofen habe ich als Bauüberwacherin am Augsburger Hauptbahnhof gearbeitet, als dort die Gleise umgebaut wurden. Das war spannend, weil wir in Insellage, also umgeben von Gleisen, gebaut haben. Die Logistik war herausfordernd und ich konnte viele Erfahrungen sammeln, die mir jetzt zugutekommen.
Frauen auf Baustellen sind heute keine Seltenheit mehr. Wie kamen Sie dazu?
Ich habe mich an der Fachoberschule in Richtung Wirtschaft orientiert, weil mein Vater in diesem Bereich tätig war. Aber ich habe gemerkt, dass eher Technik meins ist. Als ich Bauingenieurin werden wollte, gab es in meinem Umfeld Bedenken, dass Männer in der Branche dominieren. Aber meine Familie hat meine Entscheidung unterstützt.
Wie war Ihr Werdegang?
Ich habe in Regensburg Bauingenieurwesen studiert und 2016 meinen Master gemacht. Bei der Bauüberwachung Süd der DB E&C habe ich die Ausbildung im Bereich Oberbau und Konstruktiver Ingenieurbau absolviert – und bin seitdem auf Baustellen unterwegs. Ich liebe diesen Job! Ich bin gerne draußen, denn da bekomme ich das Geschehen hautnah mit. Und ich arbeite gerne mit vielen Leuten zusammen.
Wie bekommen Sie Beruf und Familie unter einen Hut?
Mein Mann ist auch Bauingenieur und arbeitet als Entwurfsplaner, also im Büro. So können wir den Alltag mit unseren beiden Kindern gut organisieren: Ich starte morgens um 7 Uhr, weil die Arbeit auf den Baustellen früh beginnt. Mein Mann bringt die Kinder in die Kita, am Nachmittag hole ich sie ab. Wir sind ein gutes Team.
Das Terminal soll 2025 in Betrieb gehen. An welchen Projekten werden Sie dann arbeiten?
Ich hoffe, weiter bei der 2. Stammstrecke dabei zu sein. Das ist mein Herzensprojekt.